Workshop, 27/28 Mai 2024, Universität des Saarlandes
Soziale Ungleichheiten werden immer wieder als die Herausforderungen der europäischen Integration hervorgehoben (Heidenreich 2022; Mehlbye et al. 2019). Dabei ist auffällig, dass Ungleichheiten nach wie vor in erster Linie in nationalstaatlichen Kategorien und Kontexten erhoben und diskutiert werden. Die grenzüberschreitenden Dimensionen von Ungleichheit drohen dabei aus dem Fokus zu geraten. Im europäischen Kontext bieten insbesondere grenzüberschreitende Regionen einen gemeinsamen sozialen Rahmen, innerhalb dessen Ungleichheiten zunehmend auch grenzüberschreitend wahrgenommen und verhandelt werden. Die Großregion bietet dafür einige Beispiele: Einkommensunterschiede, unterschiedliche Zugänge zu öffentlichen Ressourcen und Infrastrukturen oder auch Zugangschancen zu Bildung und Arbeitsmarkt (IBA 2019).
Der Workshop nimmt soziale Ungleichheiten und Benachteiligungen aus einer grenzüberschreitenden Perspektive in den Blick. Am Beispiel der Großregion, die bisher vor allem als gelungenes Beispiel Europäischer Integration diskutiert wurde, werden drei Öffnungen der wissenschaftlichen Diskussion zu Ungleichheiten angestrebt:
1. Im Zentrum steht eine Verschiebung von Perspektiven von nationalen Bezugsrahmen von Ungleichheiten hin zu grenzüberschreitenden Zugängen. Der Workshop diskutiert Beiträge, die sich (kritisch) der Frage widmen, wie grenzüberschreitende Ungleichheiten methodisch sichtbar und analytisch zugänglich gemacht werden können.
2. Im europäischen Kontext gibt es die Tendenz, Ungleichheit aus ökonomisch und statistisch orientierten Perspektiven in den Blick zu nehmen (Bryden 2016; EPRS 2019). Wir möchten daran anknüpfen und Benachteiligungen durch Armut, Einkommensunterschiede sowie Zugang zu Infrastruktur, Daseinsfürsorge und dem Arbeitsmarkt in der Großregion auf die Agenda setzen. Darüber hinaus zielt der Workshop auf eine Sichtung von bislang randständigen Dimensionen grenzüberschreitender Ungleichheiten, die etwa mit Kultur, Geschlecht, Alter oder Herkunft von Menschen in Verbindung stehen.
3. Auch für die Großregion gibt es bereits zentrale Beiträge zur Untersuchung von Ungleichheit mithilfe ökonomischer und quantitativer Ansätze (z.B. Pigeron-Piroth und Belkacem 2020; Decoville und Durand 2017). Neben diesen Ansätzen hebt der Workshop qualitative Zugänge hervor, die sich etwa der Alltagspraxis, kulturellen Ausdrucksformen sowie der Erfahrungswelt von Ungleichheit widmen (z.B. durch ethnografische, praxeologische oder kulturwissenschaftliche Methoden). Das Ziel ist ein Dialog zwischen unterschiedlichen Zugangsweisen und deren gegenseitige Ergänzung und Anschlussfähigkeit anzuregen.